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Vertrauen ist der Anfang von allem

Jede Beziehung braucht Vertrauen. Denn nur so kann sie in Loyalität übergehen.

Text von AXA Partners
Foto von Unplash

Dezember 2021

 

Christian Montag hat von 1998-2000 eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Dresdner Bank (heute Commerzbank) absolviert. Danach arbeitete er selbständig als Webdesigner und als technischer Redaktionsassistent bei RTL New Media. Seine erste Webseite hatte er Mitte der 1990er Jahre.



Auf der Suche nach einer neuen Herausforderung begann er mit 24 Jahren Psychologie zu studieren. 2009 promovierte er zu den psychobiologischen Grundlagen von Angst und Ängstlichkeit und habilitierte im Jahr 2011 an der Universität Bonn. Dort erhielt er die Venia Legendi für das Fach Psychologie. Seit 2014 ist er W3-Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm. Seit 2016 ist er zusätzlich als Visiting-Professor regelmäßig in China.
Dort arbeitet er an der University of Electronic Science and Technology of China in Chengdu.

Im Herbst 2021 erscheint sein neues Buch “Du gehörst uns” über das Daten-Geschäftsmodell hinter Social-Media- und anderen Digital-Angeboten im Blessing-Verlag. Christian Montag ist Experte für Digitale Psychologie.

Herr Montag, was steckt eigentlich hinter Kundenloyalität?

Bindung. Zuallererst muss Bindung erzeugt werden, damit man eine langfristige Beziehung eingehen kann. Und bevor ich jemand gegenüber treu und loyal sein kann, auch im Berufsleben, muss eine Geschäftsbeziehung, in welcher Form auch immer, bestehen. Jetzt folgt die Frage, wie man eine gute Kundenbindung erzeugen kann. Aus neurowissenschaftlicher Sicht lässt sich mittlerweile ganz gut analysieren, wie Vertrauen entsteht und was die Mechanismen sind, die für Vertrauen eine wichtige Rolle spielen.

Vertrauen ist eigentlich die Grundlage jeder menschlichen Beziehung – nicht nur zwischen Individuen, sondern auch zwischen Organisationen und einem Individuum oder selbst zwischen Organisationen. Wir haben alle mit der Lehman Brothers Pleite im Jahr 2008 verfolgen können, was passiert, wenn das Vertrauen zwischen Organisationen zerstört wird. Dann leidet ganz schnell die Weltwirtschaft.

Hängt Vertrauen wirklich mit harten Wirtschaftsdaten zusammen und was sagt die Hirnforschung zu dem Themenkomplex Vertrauen?

Es gibt ganz interessante Arbeiten, die das Vertrauen in der Gesellschaft analysieren – zum Beispiel gegenüber Institutionen oder gegenüber dem Nachbarn. Eine bekannte solche Arbeit zeigte einen positiven Zusammenhang zwischen gegenseitigem Vertrauen und dem pro Kopf-Einkommen. Das heißt, Vertrauen in der Gesellschaft scheint auch von Bedeutung zu sein, wenn es darum geht, wirtschaftliche Prozesse besser zu verstehen.

Unser Blickwinkel, wie wir im Folgenden auf das Thema draufschauen, bezieht sich auch auf die Disziplin Neuroökonomik, eine immer noch relativ junge Disziplin der Neurowissenschaften oder Hirnforschung. Hier wird mit experimentellen Ansätzen versucht, die biologischen Grundlagen von finanziellen Entscheidungsprozessen zu verstehen. Eine bahnbrechende Studie wurde vor mittlerweile 16 Jahren veröffentlicht. Hier wurden Experimente mit dem Bindungshormon Oxytocin durchgeführt. Wenn sie Oxytocin nasal verabreichen, in diesem Falle die Probanden also das Bindungshormon schnupften, waren ganz erstaunliche Dinge beobachten. In der Studie konnte gezeigt werden, dass die Leute, die unter dem nasalen Einfluss von Oxytocin stehen, als Investoren mehr Geld an Personen, die sie nicht kennen überweisen, als Personen, die unter Placebo-Einfluss standen. Das lässt sich im sogenannten Vertrauensspiel erstaunlich präzise messen. Allerdings sei angemerkt, dass die Ergebnisse der Arbeit nicht 1:1 repliziert werden konnten, vielleicht ist dafür das menschliche Verhalten doch zu komplex. Trotzdem wissen wir, dass gerade dieses Hormon Oxytocin sehr wichtig ist, um biologische Prozesse, die für Vertrauen eine wichtige Rolle spielen, zum Teil erklären zu können.

Weiterhin gibt es zwei Dinge, die wichtig sind, um den Vertrauenskomplex zu charakterisieren. Das ist einmal die Facette „Vertrauensvorschub leisten“, also in jemand Vertrauen zu investieren und dann gibt es ja noch die andere Frage: Ab wann ist denn jemand vertrauenswürdig?

Mit anderen Worten: Welche Signale müssen die Person eigentlich ausstrahlen, damit ich vertraue? Dass ich denke, ach, der macht mir aber einen ganz seriösen Eindruck? Es gibt Personenmerkmale sowohl auf der Seite desjenigen, der Vertrauen schenkt, als auch auf der Seite dessen, der Vertrauen bekommt.

Also wie sieht denn eigentlich eine Person aus, der man gerne Vertrauen schenkt?

Ich versuche das jetzt mal aus einer persönlichkeitspsychologischen Sichtweise zu beantworten. Ich lade Sie zu folgendem Gedankenspiel ein: Nehmen wir an, Sie hätten bei einer Studie mitgemacht, wo Sie Angaben in einem Fragebogen über sich selber machen. Einmal würden Sie über sich selber beantworten, ob Sie eine Person sind, der man gerne Vertrauen schenkt und dann auch, ob Sie aus Ihrer Sichtweise eine Person sind, die anderen gerne Vertrauen schenkt. Diese Antworten auf einem Fragebogen kann man jetzt im Raum der „großen Fünf“ verorten. Was sind die „großen Fünf“? Das sind die Persönlichkeitseigenschaften, mit denen man die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen darstellen kann. Wie ist man auf dieses Modell beginnend in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, also vor jetzt bald hundert Jahren, gekommen? Zwei Psychologen haben eine wahre Sisyphusarbeit geleistet – sie hatten die Idee, dass wenn man Persönlichkeit verstehen will, es hilfreich ist, sich mit einem lexikalischen Ansatz zu nähern. Warum? Sie haben behauptet, wenn wir uns das Lexikon anschauen, in dem der ganze menschliche Wortschatz zu finden ist, dann müssten wir eigentlich auch verstehen, wie es mit der Persönlichkeitsstruktur von Menschen aussieht, denn wir alle nutzen ja im Alltag Sprache, um uns selbst und andere zu charakterisieren. Ich könnte jetzt über Sie sagen: heute Morgen war er ganz pünktlich, er macht mir jetzt einen sympathischen Eindruck – das heißt, wir nutzen Attribute, um eben menschliche Eigenschaften in unserer Kommunikation zu kennzeichnen. Die Forscher haben beginnend ab den 30er Jahren aus über 17.000 Eigenschaftsworte Wortcluster herausgearbeitet, die bei bestimmten Menschen gehäuft zutreffend sind. Überzufällig tauchen dabei verschiedene Begriffe miteinander auf. Eine Person, die zum Beispiel eher kooperativ ist, ist auch eher empathisch, das heißt, sie wird zum Beispiel ein guter Teamplayer sein. So kann man dann Wortcluster bilden und daraus als zusammenfassende Persönlichkeitseigenschaft Verträglichkeit ableiten. Ein weiteres Beispiel: Eine durchsetzungsstarke Person ist häufig auch besonders gesellig und lebendig. Hier sprechen wir dann im Sinne eines Persönlichkeitslabel von Extraversion.

Diese Art von Wortschatz-Untersuchungen hat man rund um den Globus gemacht, in unterschiedlichen Sprachen und in sehr vielen Kulturen – und es kommt bei diesen Analysen häufig eine Fünffach–Struktur heraus. Wir gehen heute davon aus, dass diese fünf Eigenschaften sich gut eignen, um global Menschen in einem Persönlichkeitsmodell zu verorten. Bei dem Fünf-Faktoren-Modell handelt es sich also um ein Modell der Persönlichkeitspsychologie. Im Englischen wird es auch als OCEAN-Modell bezeichnet nach den entsprechenden Anfangsbuchstaben Openness, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness, Neuroticism. Also Gewissenhaftigkeit wie Pünktlichkeit und Sorgfalt, Extraversion also Geselligkeit und Lebendigkeit, Verträglichkeit wie Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft und Empathie und Neurotizismus, was für emotionale Labilität und Ängstlichkeit steht.

Spannend ist, dass jede dieser Persönlichkeitseigenschaften kein eindimensionales Konstrukt darstellt, das heißt, wir sprechen nicht von Typologien, ein Mensch wäre dann typisch ex- oder introvertiert. Stattdessen sind Persönlichkeitseigenschaften Dimensionen. Menschen sind entsprechend irgendwo zwischen den beiden Extremen wie Ex- vs. Introversion oder viel vs. wenig Gewissenhaftigkeit angesiedelt. Der eine eher hier, der andere eher da. Und genau das kann man auch im Fragebogen messen und damit komme wir zurück zu unserer Vertrauensfrage.

Wie sehen die Zusammenhänge mit diesem Persönlichkeitseigenschaften aus?

Für Personen, die von sich aus sagen, man schenke ihnen Vertrauen (und von denen wahrscheinlich auch andere sagen, dass man sich auf sie verlassen kann), gehen bestimmte Signale aus. Im Kontext der Großen Fünf der Persönlichkeit zeigt eine interessante Studie, dass diese Leute eher verträglich und gewissenhaft sind. Und wie sieht die Persönlichkeitsstruktur von Menschen aus, die anderen gerne Vertrauen schenken? Hier zeigte sich, dass diese Personen von sich angeben, dass sie eher extravertiert und emotional stabil sind. Persönlichkeitseigenschaften sind in der Regel übrigens sehr stabil. Das heißt, wenn Sie heute Kreuzchen in einem Fragebogen setzen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie in 5 Jahren sehr ähnliche Kreuzchen setzen, weil sich Ihre Werte auf den genannten Persönlichkeitsdimensionen nicht grundlegend ändern. Das ist vielleicht eines der wichtigsten Merkmale von Persönlichkeitseigenschaften, dass sie über einen langen Zeitraum relativ stabil sind, also nur graduelle oder leichte Änderungen zu beobachten sind.

„Persönlichkeitsveränderung ist möglich, aber es ist sehr schwierig.“

Ich würde im Sinne eines Coachings empfehlen, sich eine Nische oder eine Umwelt zu suchen, die besser zu der eigenen Persönlichkeit passt, um erfolgreich zu sein. Sich ständig zu verbiegen, um anderen zu gefallen, ist schwierig und auf Dauer nicht nachhaltig. Für die Stabilität von Persönlichkeit gibt es auch einen Grund: Wir wissen das sowohl für die Großen Fünf der Persönlichkeit als auch Vertrauensvariablen die Genetik eine gewisse Rolle spielt. Das lässt sich mit Zwillingsstudien nachweisen. Das heißt, es gibt tatsächlich eine genetische Komponente. Wie hat man das herausarbeiten können? Stellen Sie sich vor, Sie hätten eineiige Zwillinge, die den gleichen genetischen Code haben und die werden bei der Geburt getrennt. Wenn diese eineiigen Zwillinge sich im Erwachsenenalter trotz unterschiedlicher Umwelten sehr ähnlich sind, muss die Genetik eine gewisse Rolle spielen. Nun kommt diese Konstellation nicht so häufig vor, so dass man in Zwillingsstudien ein- und zweieiige Zwillinge vergleicht, um der Erblichkeit auch von interindividuellen Differenzen in Vertrauensvariablen auf die Spur zu kommen. Erblichkeitsschätzungen liegen hier übrigens in etwa zwischen 10 und 20%.

Wenn wir die ganzen Ergebnisse aus der Vertrauensforschung reflektieren – was bedeutet das für das Verhältnis zwischen Versicherung und Kunden?

Basierend auf den Ergebnissen der Grundlagenforschung, kann man sich die Frage stellen, wie zum Beispiel eine Versicherung gegenüber dem Kunden auftreten sollte. Was sollte eine Versicherung ausstrahlen? Welche Signale sollte sie senden? Primär geht es vor dem Hintergrund der hier berichteten Erkenntnisse natürlich darum, als Versicherung gegenüber dem Kunden Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit zu zeigen (um von den Kunden Vertrauen geschenkt zu bekommen). Meistens wenden wir uns an eine Versicherung, wenn ein Unfall oder etwas anderes Negatives passiert ist. Jetzt möchte ich eine Leistung in Anspruch nehmen. Genau in dieser Phase erwarte ich, dass die Signale kommen, die mir vermitteln „Ich kann mich auf meinem Partner verlassen.“ Ich möchte als Kunde wissen, dass die Versicherung in meiner Misere wirklich den Job macht. Die Versicherung lässt mich in meiner dunklen Stunde nicht hängen und bringt mir in meiner Notsituation auch die nötige Empathie entgegen.

Welchen Einfluss auf das Thema Vertrauen hat die Digitalisierung?

Gute Frage. Tatsächlich haben wir uns in meiner Arbeitsgruppe gerade mit dem Themenkomplex, zumindest am Rande, beschäftigt. Wir haben Menschen darum gebeten einzuschätzen, ob von uns gezeigte Nachrichten echt oder falsch sind. Kurzum, wir wollten wissen, wie gut die Leute darin sind, Fake News zu erkennen. Insgesamt sind Menschen ganz gut darin. Wir haben in unserer Studie – und jetzt wird es interessant – zum Glück auch erfasst, wie stark das Vertrauen der Menschen in die Gesellschaft ist. Und das hat sich bei uns in der Arbeit als wesentlicher Faktor herausgestellt, um in unseren Daten zu beschreiben, wie gut Menschen Fake News von den wahren Nachrichten unterscheiden können. Je größer das Vertrauen unserer Studienteilnehmer in die Gesellschaft, desto besser waren sie in der Erkennungsleistung von falschen und wahren Nachrichten.

„Vertrauen in die Gesellschaft ist ein möglicher Resilienz–Faktor gegen Fake News.“

Wenn Leute Fake News weiterleiten oder sie nicht direkt erkennen, dann hat es nach neustens Erkenntnissen wohl nicht unbedingt mit dem „falschen“ Parteibuch zu tun. Aufgrund unserer empirischen Arbeit scheint es unter anderem so zu sein, dass diese Leute weniger Vertrauen in die Gesellschaft haben. Sie sind in Anbetracht von Sensationsmeldungen (das sind Fake News oft) so emotionalisiert, dass sie dazu neigen, Fake News bedenkenlos weiterzuleiten. In der Situation des Nachrichtenteilens auf Social Media geben sich Menschen häufig keine Mühe, Nachrichten als falsch oder richtig zu klassifizieren. Deswegen kann auch ein kurzes Innehalten vor dem Versenden (ist das wirklich eine wahre Nachricht?), das Problem der Fake News Weiterleitung reduzieren.

Vertrauen ist in ganz unterschiedlichen Bereichen unseres Lebens - von Politik bis hin zur Wirtschaft – ein Grundpfeiler unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

„Vertrauen ist der Kleber, der die Gesellschaft zusammenhält.“

Article 4 Christian Montag 2

Wie wirkt sich die digitale Kommunikation auf die Beziehungsebene aus?

Online verhalten sich Menschen oft anders, als wenn sie direkt miteinander zu tun haben. Ein Grund ist sicherlich, dass wir oftmals online asynchron kommunizieren und kein direktes Feedback des Gesprächspartners bekommen. Wenn ich als Antwort auf meine Botschaft ihre Mimik nicht lesen, ihren Tonfall nicht erfassen und auch die Gestik nicht sehen kann, bekomme ich nur unzureichend mit, wie meine Botschaft angekommen ist. Und jetzt kommen wir zu dem Verrückten, was das Internet betrifft. Im Wesentlichen wird heute immer noch über Text kommuniziert (E-Mails, Kurznachrichten), was eine sehr eindimensionale Form der Kommunikation darstellt. Wir wissen oftmals als Sender einer Nachricht gar nicht so recht, wie das ankommt, was wir gerade geschrieben und abgesendet haben. Ich habe natürlich beim Schreiben eine gewisse Intention, aber dass der Inhalt meiner Mail bei ihnen genauso ausgelegt wird, weiß ich nicht – deswegen brauchen wir diese Emoticons oder Emojis so dringend. Damit versuchen wir die Botschaften um eine notwendige emotionale Ebene zu bereichern.

Wenn wir jetzt wieder auf die Kundenbindung zu sprechen kommen, wo man häufig nur über digitale Textnachrichten kommuniziert, fehlt dort viel an zwischenmenschlicher Information und damit steht Wichtiges für das Verbessern einer persönlichen Bindung im Weg, die wiederum die Basis für Vertrauen ist.

Die COVID-Pandemie hat unser Kommunikationsverhalten online übrigens in Teilen zum Besseren verändert. Wir nutzen Videokonferenz-Tools, in denen wir wesentlich mehrdimensionaler kommunizieren können. Das heißt aber nicht, dass nun automatisch alles gut ist. Auf Twitter habe ich über vorläufige Befunde gelesen, in denen das Engagement von Menschen während Videokonferenzen untersucht worden ist. Sie kennen sicherlich auch Kollegen, die bei den Meetings öfters mal die Kamera aushaben. Diejenigen, die buchstäblich nicht ihr Gesicht zeigen, sagen damit aus, dass sie deutlich weniger bei der Sache sind. Auf der anderen Seite sind es für den ein oder anderen sicherlich aktuell auch viel zu viele Online-Meetings, irgendwann muss man auch mal „richtig“ zum Arbeiten kommen. Es wird wissenschaftlich sogar die Zoom-Fatigue diskutiert. Wir wollen aber bei der Sache bleiben: In dem Interview geht um Vertrauen. Sich gegenüber einem anderen in einer Videokonferenz von zu Hause zeigen, hat natürlich auch was mit Vertrauen zu tun.

Wie sieht denn die Zukunft der Kommunikation in Unternehmen aus, wenn E-Mails so häufig missverstanden werden und natürlich auch nicht dauernd Online-Konferenzen gemacht werden können?

Dies scheint mir ein bedeutsames Forschungsfeld zu sein. Wenn wir die Kommunikation als auch Arbeitsprozesse in Unternehmen nachhaltig in einem digitalen Zeitalter aufstellen wollen, brauchen wir neue kollaborative Werkzeuge, mit welchen zeitgleich möglichst wenig auf E–Mails zurückgegriffen werden muss. Cal Newport schreibt in seinem neuen Buch „A world without Email“ anschaulich, dass möglicherweise Werkzeuge wie Trello eine gute Lösung darstellen können. Was die reale Kommunikation betrifft: Ich plädiere schon dafür, in dosiertem Umfang Online-Meetings in Real Time durchzuführen. Man bekommt in 10 Minuten Meeting einfach mehr geklärt als mit 20 Emails hin und her –und das betrifft natürlich auch die Kommunikation mit dem Kunden. Wir wollen ja gerade den Kunden richtig verstehen und ich habe hierfür bessere Möglichkeiten im direkten Gespräch, so trivial das klingt. Ich kann dort immer nachfragen und am Schluss zusammenfassen, um zu erörtern, ob ich die andere Seite richtig verstanden habe. Mit E-Mails kann so was schnell eine Katastrophe werden, weil man nicht immer direkt den richtigen Ton trifft und wie gesagt, vieles Geschriebenes zu uneindeutig bleibt. Im Gespräch können wir eine gemeinsame Atmosphäre erschaffen, die auch Vertrauen erzeugt und das ist wesentlich für eine gute Kundenbeziehung.

Was bedeutet das für die Kommunikation mit neuen Generationen?

Die Generation der nativen Internet–User erwartet sicher, dass man möglichst viele der „modernen“ also Online-Kanäle nutzt. Das Ganze aber bitte so, dass dies eben auch zu einer sinnvollen Kundenbeziehung führt. Hier kann man berücksichtigen, dass alle erfolgreichen Digitalprodukte zu einem Teil den Erkenntnissen der klassischen Uses and Gratification-Theory (UGT) folgen. Warum konnten sich Medien wie das Radio, das Fernsehen oder heute Social Media so erfolgreich durchsetzen? Nach der UGT: Weil die Nutzung dieser Medien elementare Grundbedürfnisse des Menschen befriedigen. Welche sind das? Im Freud’schen Sinne erstmal, dass es Spaß macht. Der Mensch neigt dazu, Leid zu vermeiden und Lust zu maximieren – hier ist unser Gehirn relativ simpel in der Funktionsweise, auch wenn es eigentlich hochkomplex ist. Viel wichtiger ist aber für die Beantwortung der Frage unser Bedürfnis nach Bindung. Wir können bei einem der erfolgreichsten Produkte unserer Zeit „Social Media“ (aktuell knapp 4 Milliarden Nutzer) mit Menschen einfach Kontakt halten. Das gilt sowohl für die starken und schwachen Verbindungen (im Netzjargon „strong and weak ties“) auf den Social-Media-Angeboten - also nicht nur der Kontakt mit der Familie und engen Freunden, sondern in einer globalisierten Welt mit all den Menschen, die uns wichtig sind, auch im Beruf.

Sind diese Grundbedürfnisse nicht irgendwann überholt?

Nein. Unsere Grundbedürfnisse sind auch genetisch verankert. Sie sind nicht morgen obsolet, sie sind auch noch in 100 Jahren da. Die digitale Revolution ändert nicht mal eben die menschliche Evolution. Und aktuell besteht für die Menschheit eine große Aufgabe darin, digitale Welten, auch Arbeitswelten, so zu designen, so zu entwickeln, dass sie möglichst im Einklang mit unseren Grundbedürfnissen stehen. Diese Erkenntnis scheint mir auch sehr wichtig zu sein, um erfolgreich Produkte digital zu vermarkten und eine erfolgreiche Kommunikationsstrategie-Online zu verfolgen. Wie gut passen Produkte oder eine Kommunikationsstrategie zu unseren Grundbedürfnissen?

Zum Status Quo: Momentan sind unsere Steinzeitgehirne durch das permanente Task Switching (Wechseln zwischen Aufgaben und damit entstehende Wechselkosten) und die Fragmentierung des Alltags überlastet. Parallel laufen dauernd irgendwelche E-Mails auf, überall piept und brummt es. Unser Gehirn ist aber nicht besonders gut im parallelen Verarbeiten – oder neudeutsch „Multitasking“. Wir sind eher sequentielle Arbeiter. Am besten mache ich erst den einen Job zu Ende, mache ein Häkchen dran und kann mich dann um den nächsten kümmern.

Jeder kennt doch die Redewendung aus dem Alltag: „Es dauert sehr lange, bis man Vertrauen aufbaut. Aber man kann es viel schneller zerstören.“

Als aktuelles Beispiel können Sie sich die Wirkung der Skandale um potenzielle Bereicherungen von Politikern im Zuge der Corona-Maßnahmen ansehen. Einige Politiker haben sich da offenbar komplett vom Realitätsgeschehen entkoppelt und der Vertrauensverlust ist natürlich jetzt unglaublich schwer zu kitten, weil wir auch negative Spill-Over-Effekte auf andere Politiker sehen, die sich nichts zu Schulden kommen haben lassen. Jetzt steht jeder im Verruf.

In der Geschäftsbeziehung zwischen Versicherungen und Kunden ist es nicht anders. Für eine nachhaltige, gute Beziehung lohnt es sich immer wieder in eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu investieren und in den entscheidenden Momenten muss die Versicherung natürlich da sein.


 

Das Vertrauensspiel

Das Vertrauensspiel ist ein soziales Dilemma, welches im Rahmen der Spieltheorie analysiert werden kann. Es handelt sich dabei um ein Zwei-Personen-Spiel mit einem Treugeber bzw. Vertrauensgeber (A) und einem Treuhänder bzw. Vertrauensnehmer (B). Der Treugeber kann den Treuhänder mit einer Aufgabe betrauen. Zunächst entscheidet der Treugeber, ob er dem Treuhänder Vertrauen schenkt oder nicht. Entscheidet er sich für die erste Variante kann nun wiederum der Treuhänder entscheiden, ob er das ihm entgegengebrachte Vertrauen a) missbraucht oder b) honoriert. Aus diesen Möglichkeiten ergeben sich drei Handlungsalternativen, die jedoch für jeden der beiden Beteiligten unterschiedliche Auszahlungen zur Folge haben. Das Vertrauensspiel lässt sich als sogenanntes sequentielles Spiel (optimale Darstellung ist hier der Spielbaum) oder als Simultanspiel (optimale Darstellung ist die Matrixform) abbilden. Lässt sich das Problem hingegen dadurch überwinden, dass (glaubwürdige) Erfahrungen vorliegen, wie etwa eine vorteilhafte Reputation des Treuhänders bezüglich seiner Loyalität oder seines Charakters, dann lässt sich das Vertrauensspiel tatsächlich durch Vertrauen lösen. Die gute Reputation wäre in diesem Fall die Vertrauensgrundlage, auf die der Treugeber seine Erwartung stützen kann. (Quelle: Wikipedia)


 

 

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