Ja, das kam schon häufiger vor. Als es mir während einer Trennung schlecht ging, besuchte ich mein erstes Retreat, um zu meditieren. In einer Übung trainierten wir Empathie, aber ich konnte kein Mitgefühl empfinden. Ich musste zuerst lernen, meinem eigenen Leid mit Fürsorge zu begegnen, bevor ich anderen etwas Gutes wünschen konnte.
Es ist schwer, den englischen Begriff „empathy“ eins zu eins ins Deutsche zu übersetzen. Das Konzept von Empathie oder Einfühlungsvermögen ist nicht so deutlich definiert wie im Englischen. Es gibt mehrere Formen von Empathie, eine davon ist Mitleid. Im Deutschen meinen wir damit meist Fürsorge. Im Englischen aber hat Mitleid zwei Bedeutungen: „Compassion“ beschreibt die Fürsorge oder Anteilnahme, die zum Wunsch führt zu helfen. „Empathic distress“ bedeutet, von den Emotionen eines anderen so überwältigt zu sein, dass wir uns selbst schlecht fühlen.
Sowohl als auch. Jeder Mensch ist dazu fähig, Gefühle mit einer anderen Person zu teilen. Deshalb ist Empathie eine Fähigkeit, die wir trainieren und verbessern können. Dabei ist mir bewusst, dass meine eigene Emotion durch die der anderen Person ausgelöst wird. Aber Mitgefühl ist eben auch ein Gefühl, das steckt schon im Wort, denn wir empfinden die Emotionen des anderen wirklich selbst und spielen sie nicht vor.
Wenn wir Schmerz empfinden, aktivieren wir die Insula – ein Areal im Gehirn, welches für die Wahrnehmung innerer Zustände wichtig ist. Dasselbe Areal beanspruchen wir auch, wenn wir sehen, dass eine andere Person Schmerz empfindet. Wenn wir Empathie für eine Person empfinden, simulieren wir die Emotionen unseres Gegenübers, um sie verstehen und nachfühlen zu können.
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Meditation hilft. Eine meiner Lieblingsübungen stammt aus dem Buddhismus und zielt darauf ab, das Gefühl von Fürsorge zu trainieren. Bei der Übung meditiere ich und stelle mir eine Person vor, der ich mit gedanklichen Zusprüchen wie „Mögest du glücklich sein“ etwas Gutes wünsche und spüre dabei bewusst, wie ich mich fühle. Nach kurzer Zeit merke ich deutlich, dass ich mehr Empathie für andere empfinden kann. Interessant ist dabei, dass man die Übungen völlig allein durchführt und sie keine anderen Menschen beinhaltet. Trotzdem steigert sich die Empathiefähigkeit.
Man geht davon aus, dass Empathie und das Gefühl der Fürsorge helfen, uns anderen Gruppen näher zu fühlen. Menschen mit ausgeprägter Fürsorge sind eher bereit, sich mit einer Person zu versöhnen. Handfeste Daten, ob Empathie bei der Konfliktlösung hilft, gibt es jedoch bislang nicht. Eine Doktorandin von mir widmet sich diesem Thema momentan und fand heraus, dass Trainings die Fürsorge einer Person verstärken können. Als Nächstes erforscht sie, ob das Training bei Konflikten zwischen Gruppen wie Israelis und Palästinenser entschärfend wirken könnte. Dazu führen wir nächstes Jahr eine Feldstudie in Israel durch und hoffen auf gute Ergebnisse.
Das stimmt. In medizinischen Berufen, in denen man viel mit Leid konfrontiert ist, ist Burn-out ein Problem. Oft ergreifen Menschen mit ausgeprägter Empathie helfende Berufe. Ihr Feingefühl kann zu Burn-out führen, wenn ihre Emotionen sie überwältigen. Die Art und Weise, wie wir Leid empfinden, ist übrigens ein viel größerer Hinweis darauf, dass die Gefahr eines Burn-outs besteht, als die vielen Überstunden, die man arbeitet.
Das galt lange Zeit als Hilfsmittel, funktioniert aber nicht. Wir spüren die Emotionen vielleicht weniger, der Körper reagiert aber umso stärker. Heute lernen zum Beispiel künftige Ärzte in den USA vermehrt, sich mit Meditation zu entspannen und den Schmerz einer Person trotzdem nachzufühlen. Ergebnisse zeigen, dass man mithilfe von Meditation zwar auch mit dem Leiden anderer in Kontakt bleibt, zusätzlich aber mehr positive Emotionen fühlt. Wir gehen davon aus, dass das als Schutzmechanismus gegen Burn-out dienen könnte. Insgesamt geht es den Personen so besser. Mehr Mitgefühl bewirkt also immer eine Verbesserung.